Chevrolet One-Fifty, Two-Ten und Bel Air – 1955-1957
Von Otto Meyer-Spelbrink
Das zweite komplette Restyling nach dem 2. Weltkrieg brachte Chevrolet in Verbindung mit einem total neu konstruierten V8-Motor für 1955 endgültig den Durchbruch zur „USA Number One“. Für 1956 und 57 jeweils unterscheidungskräftig modifiziert, entstand für diese Trilogie der Begriff „Tri-Chevys“. Jahrelang prägten diese Autos das amerikanische Straßenbild und gelten bis heute als Stil-Ikonen und sogar als Kult-Autos!
Vorab ein Film-Tipp! (weitere Fotos und Filme nach unten scrollen) Lust auf Otto´s US Garagen-Video über die 1955-57er Chevys auf YouTube? Dann klick aufs Foto und folge den 3 Teilen:
Appetit bekommen? Noch mehr Benzin und Sound? Hier Szenen aus dem 1971er Kultfilm “Two-Lane Blacktop” (“Asphaltrennen”) inklusive 55er Chevy, dem “Beach Boys”-Schlagzeuger Dennis Wilson als Mechaniker und geilem 70er Pontiac GTO Judge . Darum lieben wir diese Cars! Klick hier:
Was hat ein alter Ferrari mit einem 55er Chevrolet gemeinsam? Nicht allzu viel, aber wenigstens den Kühlergrill. Niemand anders als der große Harley Earl war von der simplen Struktur der Ferrari-Grills der frühen 50er Jahre so angetan, dass der dem völlig neu konstruierten 55er Chevrolet jenes dezente Gitter unbedingt mit auf den Weg geben wollte.
Bereits 1989 erschien von uns ein Tri-Chevy-Artikel in „Wheels“ –
weitere Fotos, Videos und technische Daten unten …
Harley Earl (1893-1969) war in jenen Jahren der unbestrittene Herrscher über das Styling der General Motors Modelle. Als Chef der „Art&Colour Section“ bestimmte er von 1927-1958 letztendlich über Form und Farben aller Modelle, obwohl jede GM-Division (Chevrolet, Buick, Cadillac, Pontiac, Oldsmobile) eine eigene Styling-Abteilung unterhielt. Zu Earls berühmtesten Kreationen gehören der 37er LaSalle (Cadillac Ableger), der Show Car Buick „Y-Job“, der 48er Cadillac, der 50er Le Sabre Show Car, die 58er Corvette und nicht zuletzt der 55er Chevrolet. Er war der Erfinder der Heckflossen und der Panoramascheibe und prägte somit entscheidend das amerikanische Auto-Design über 20 Jahre.
Auch das Styling der ersten neuen Chevrolets nach dem Weltkrieg war auf seine Entscheidung zurückgegangen. Ende 1948 vorgestellt, zeigten sie eine Ähnlichkeit zum 48er Cadillac-Design, waren unglaublich erfolgreich und wurden nahezu unverändert bis 1952 produziert – allesamt nur mit dem seit 1935 angebotenen „Blue Flame Six“ Sechszylinder-Motor – im Volksmund „Stovebolt“ (Kanonenofen), der aber nach wie vor als hochmodern, zuverlässig und wirtschaftlich galt. Dieses Aggregat mit bereits hängenden Ventilen – übrigens auch als Version für die komplette Lastwagen-Flotte – sollte als Basismotor für die meisten Chevy-Modelle noch viele Jahre fungieren und wurde bis 1990 (!) produziert. In Brasilien sogar bis ins Jahr 2009! Bis in die 70er Jahre hinein war keineswegs jedes Full Size-Car mit einem V8 Motor ausgestattet.
Das Styling der Chevy Modelle von 1949 litt im aufkeimenden Auto-Boom der 50er Jahre jedoch bald unter Alterserscheinungen. Neue Werkstoffe, neue Farben und viel Chrom ließen die Chevy-Designer für 1953 und 54 das Modell überarbeiten. In diesen Jahren zog man die Kotflügel länger und verpasste den Autos eine gewölbte, einteilige Frontscheibe. Wer wollte, konnte nun seinen Chevy mit – durch auffällige Chromleisten abgeteilte – Zweifarblackierungen bestellen. Doch unter dem Blech verbarg sich bis Ende 1954 weiterhin das 49er Ur-Modell.
Modernste Technik!
Hinter dem „Ferrari-ähnlichen“ Waffelgrill der brandneuen 55er Chevrolets, der übrigens beim Publikum bei weitem nicht so beliebt gewesen sein soll wie bei seinem Designer, befand sich indes weitaus Sensationelleres. Der völlig neu konstruierte V8 von Edward Cole und Harry Barr brachte dem Hersteller der bis dahin braven und manchmal sogar als langweilig betitelten Familienkutschen erstmals den Anschluss an den Erfolg des Erzrivalen Ford. Respekt konnte sich ein Hersteller im leistungshungrigen Amerika der 50er Jahre praktisch nur durch acht in V-Form angeordnete Zylinder verschaffen. Ford hatte dieser Motorbauweise seit 1932 zum Standard für die Massen verholfen, und Cadillac und Buick pflegten mit V8 Motoren in heckflossigen Luxus-Karossen ihr Renomier-Image, die besten Autos dieser Welt zu bauen.
Um fast 20 kg leichter als der „Blue Flame Six“, dafür aber drehfreudiger, elastischer und vor allem viel stärker war der neue Motor. Endlich konnte man in einem Chevrolet einen V8 Motor kaufen! Und auch wenn weiß Gott nicht jeder Käufer einen solchen V8 für seinen Chevy ordern sollte – das Image der bald meistverkauften Modelle der Welt (!) schraubte sich vehement in die Höhe.
Bei der Neukonstruktion handelte es sich um einen ausgesprochenen Kurzhuber, der naturgemäß recht drehfreudig agierte und das maximale Drehmoment von 367 Nm schon bei 2.200 (U/min) zur Verfügung stellte. Chevrolets so genannter „Turbo Fire V8“ sollte aber nicht nur sportlich zur Sache gehen, sondern gleichwohl wirtschaftlich sein und ebenso wirtschaftlich hergestellt werden können. So verzichtete man unter anderem auf eine Kipphebelwelle: Den Antrieb der parallel hängenden Ventile besorgt ein aus Blech gepresster Kipphebel, der sich um ein Kugelgelenk dreht. Die Ventilführungen sind in die Zylinderköpfe integriert, die ihrerseits untereinander ausgetauscht werden können. Auch andere Komponenten des Motors sind entweder aus Pressteilen oder aus Aluminium gefertigt – Leichtbau anno 1955.
Wirtschaftlichkeit und Effizienz waren die vorrangigen Ziele der Neuentwicklung gewesen, die vom Konzept bis zur Serienreife nur 15 Wochen brauchte. Nachdem der Hubraum (265 ci) von vornherein feststand, ergab sich alles andere an der Motorkonstruktion wie von selbst, sagte der damals verantwortliche Chefingenieur Edward Nicholas Cole später einmal zur Entstehungsgeschichte des „Turbo Fire“. So ergab sich allein daraus ein „ideales“ Verhältnis von Bohrung und Hub (95,3 x 76,2 mm). Die daraus resultierende Kolbengeschwindigkeit sorgte für Laufruhe und vereinfachte den Konstrukteuren die Arbeit bei der Lagerung der Kurbelwelle.
Das mit 4,3 l Hubraum relativ kompakte Aggregat brachte in der Normalausführung mit Doppelvergaser 162 bhp sowie 170 bhp mit Vierfachvergaser. Verdichtet war der „Turbo Fire“ recht moderat mit 8,0:1. Der Verbrauch lag mit durchschnittlich unter 15 Litern auf 100 km erstaunlich niedrig. „Auto, Motor & Sport“ hielt es in einem Testbericht vom Juli 1955 für „gar kein Kunststück, den Chevy V8 mit unter 12 Litern zu fahren, andererseits braucht sich niemand darüber wundern, wenn er im dichten Stadtverkehr seine 20 Liter wie nichts verdaut“.
Styling pur!
Vielleicht auch, weil GM-Schwester Oldsmobile bereits fünf Jahre vor Chevrolet V8-Motoren produzierte und das dem Image gut tat, wurde unter jeder der beiden Heckleuchten des 55er Chevy mit einem großen verchromten „V“-Emblem auf diese Motorisierung hingewiesen. Natürlich kostete der V8 einen kleinen Aufpreis: Mit 99 $ war man dabei.
Bereits 1952 hatte die Entwicklung des neuen Chevys begonnen. Harley Earl regierte in die Arbeiten der Chevy-Designer immer wieder hinein, und tatsächlich sollte dann das endgültige Design zeigen, was Earl unter einem schönen Auto verstand. Zeitabhängige Geschmackssicherheit konnte man ihm nie absprechen! Niedriges Dach und große Fenster, hochgezogene Gürtellinie hinter dem Mittelpfosten und betonte Kotflügel am Wagenheck wirkten ultramodern. Die Panorama-Windschutzscheibe, ebenfalls ein Novum bei Chevrolet, entstammte seinem 50er LeSabre Show Car und zierte bereits seit Ende 1953 die Modelle von Cadillac, Buick und Oldsmobile. Obwohl die 55er Chevys sogar geringfügig kürzer und schmaler als ihre Vorgänger waren, wirkten sie dennoch länger und breiter. Dies lag vor allem an der flacheren Motorhaube, die kaum noch höher als der Vorderkotflügel war und an den erstmals zur Gänze integrierten hinteren Kotflügeln.
Trotz des großen Erfolges rief der berühmte „Ferrari“-Grill sehr gegensätzliche Meinungen unter den Händlern und im Management hervor. Gerade durch dieses Kühlergitter hebt sich die 55er Reihe so deutlich von der der beiden Folgejahre ab. 1956 und 1957 forderte der Detroiter Barock fröhliche Wiederkehr, wobei das 57er Design unterhalb der Fensterlinie kaum noch etwas mit dem 55er Ur-Modell zu tun hatte… Doch dazu später mehr.
Das Gesamtbild der 55er Chevrolets weckte – ohne direkte Ähnlichkeiten – deutliche Assoziationen mit Cadillacs Spitzenmodell Eldorado. Kein Detail war kopiert worden, doch ergab die Summe zahlreicher Designmerkmale eine starke Familienbeziehung zwischen dem billigen Chevy und dem teuren Cadillac. Heute kaum vorstellbar, mag dieses Phänomen den unglaublichen Erfolg dieser Autos in jener Zeit besser erklären.
Überdachte Frontscheinwerfer („Eyebrows“), die Panorama-Windschutzscheibe und die betonten Heckleuchten am oberen Ende der Kotflügel sollten tatsächlich ein Cadillac-Feeling schaffen, wie Ed Cole später schrieb. Im Innenraum dominierte ein symmetrisch gegliedertes Armaturenbrett mit zwei identischen Gehäusen für Instrumente und für das Handschuhfach. Nicht weniger als 987 (!) Chevrolet Logos („Bow-Ties“) finden sich in einem polierten Edelstahlband – vorausgesetzt, man sitzt im Spitzenmodell Bel Air. Die wohlbalancierte Aufteilung des Armaturenbretts lag voll im Trend, und hausintern war es die Corvette, die gerade gezeigt hatte, wie sowas geht.
Mächtige Auswahl!
Drei Modellreihen standen 1955 im Katalog. 150 (One-Fifty), 210 (Two-Ten) und Bel Air. Letztere Spitzenausführung, benannt nach einem noblen Stadtteil von Los Angeles, tauchte bereits 1953 und 1954 auf. Die recht spartanisch ausgestatteten One-Fifty Modelle trugen keinerlei Seiten-Chrom, außerdem fehlte die Chromleiste um die Frontscheibe. Meist wurden sie als sogenannte Flotten-Fahrzeuge für Gewerbe und Kommunen geordert. Man wählte unter Sedan 2-door, Sedan 4-door, Utility Sedan 2-door (ohne Rücksitzbank etc.) und Handyman Wagon 2-door (hatte natürlich nix mit Mobiltelefonen zu tun, hihi). Mit 1.593 $ war der Utility die billigste Art, einen 55er Chevy zu kaufen – mit 11.000 verkauften Exemplaren aber auch die seltenste.
Der besser ausgestatteten Two-Ten Reihe fehlte gegenüber dem Bel Air noch einiges: Keine Zierleiste am Vorderkotflügel, keine Abschluss-Zierleiste und die luxuriöse Innengestaltung. Hier hatte man die Wahl zwischen Sedan 2-door, Sedan 4-door, Delray Coupé, Hardtop Coupé, Townsman Wagon 4-door, Handyman Wagon 2-door. Mit ca. 800.000 gebauten Two-Ten war diese Reihe knapp die meistverkaufte vor den Bel Air.
Jene schließlich bestand aus Sedan 2-door, Sedan 4-door, Sport Hardtop Coupé, Convertible, Beauville Wagon 4-door, Nomad Wagon 2-door. Während sich hinter dem Beauville Wagon nur ein besser ausgestatteter Townsman Two-Ten versteckte, bestach der Nomad mit der neuen Konzeption eines Sport Wagons. Carl Renner hatte dieses stylistische Meisterwerk (anfangs auf Corvette-Basis) für Chevrolet und auch für die Schwester Pontiac entworfen, der dort Custom Safari Wagon hieß. Pontiacs neue Modelle kamen parallel und mit sehr ähnlichen Bauteilen wie die Chevys auf den Markt, zeigten allerdings einen längeren Radstand von 122“ gegenüber den 115“ der Chevys und trugen einen ebenfalls neu entwickelten V8, der allerdings 287ci statt 265 ci aufwies.
Für die Chevy Polster stand eine verwirrend umfangreiche Auswahl an Stoff/Vinylkombinationen in den verschiedensten Farbtönen bereit. Two-Toning war stark angesagt, wie auch am Äußeren der Karosserie, wo insgesamt unter 23 verschiedenen Zweifarb-Kombinationen gewählt werden konnte, neben 14 „solid“ (Einfarb-) Lackierungen. Allerdings waren die jeweiligen Farben und Farbkombinationen zum Teil nur modellabhängig zu haben. So gab es beispielsweise die beiden Farben Gypsy Red und Coral ausschließlich für das Bel Air Convertible, die Farbe Regal Turquoise blieb exklusiv dem Bel Air Station Wagon vorbehalten. Den luxuriösen Nomad Wagon konnte man einfarbig nur in Shoreline Beige kaufen, dafür aber in elf Zweifarblackierungen.
Faustregel beim Gefieder der zahlenstarken 55er Sippe: Je höher ein Modell der insgesamt 16 Karosserie-Varianten in der Hierarchie angesiedelt ist, desto größer die Auswahl an auffälligen Zweiton-Lackierungen.
1956 – Ferrari-Grill adé!
Der Modelljahrgang 1956 brachte dem auf Anhieb ungeheuer erfolgreichen neuen Chevy vor allem an der Frontpartie und den Rücklichtern Änderungen. Ein breiter, über die gesamte Wagenfront reichender Grill mit integrierten Blinklichtern löste den „Ferrari“- Grill ab. Das gab dem Auto zwar ein wuchtigeres Gesicht, doch das war bei weitem nicht mehr so individuell wie bei seinem Vorgänger. Die neuen, größeren Rücklichter entsprachen dem Trend – und wieder einmal lieh man ein Gimmick von den großen Cadillacs: Erstmals befand sich der Tankeinfüllstutzen hinter dem linken Rücklicht.
Auf Basis des 56er Chevys gab es übrigens erstmals einen Impala – der Name der schnellsten Antilope der Welt. Allerdings noch nicht als Serienmodell wie zwei Jahre später, sondern als Motorama Show Car, der mit mächtigen Zähnen und dreidimensionaler Panoramascheibe viel Anklang fand.
Nicht nur für Chevrolet war das Jahr 1955 zum Erfolgreichsten für längere Zeit geworden. Schwester Buick verkaufte ebenfalls so viele Autos wie nie zuvor. Klar, dass nun erneut die Modellpalette erweitert wurde. Vor allem der neue Hardtop Sedan (ohne B-Säule, dafür mit neuer hinterer Panorama-Scheibe) war nun als Two-Ten und Bel Air zu kaufen, außerdem fanden sich jetzt unter den Two-Ten nicht mehr nur der Handyman Wagon 2-door und der Townsman Wagon 4-door, sondern auch der etwas besser ausgestattete Beauville Wagon 4-door, der nun drei Sitzreihen bot. Die 4-türigen Hardtop-Versionen – auch von anderen Marken in diesem Jahr angeboten – waren zweifellos der letzte Schrei! Aber nur 20.021 Two- Ten Hardtop Sedans gegenüber 283.125 Sedan 4-door wurden verkauft. In der Bel Air Reihe verkaufte man 269.798 Sedan 4-door und 103.602 Hardtop Sedans.
Boten die billigen One-Fifty in der unveränderten Auswahl weiterhin kaum Chrom (und nur Gummimatten im Innenraum), blieben die Two-Ten die meistverkaufte Modellreihe, obwohl hier immer noch der Blue-Flame-Six das meistgekaufte Aggregat blieb. Die Crème hieß nach wie vor Bel Air, und wer nun hinter dem Lenkrad saß, fand ein leicht verändertes Armaturenbrett mit einem Grillmuster an der Zierblende – die Bow Tie Verzierungen waren passé.
Als Highlight in diesem Modelljahr platzierte sich allerdings der zusätzliche „Turbo Fire V8“ aus der Corvette! Bereits 1955 hatte man den Fiberglass-Sportwagen (dessen Erfolg unter dem nur erhältlichen Sechszylinder litt) logischerweise ebenfalls mit dem neuen V8 bestückt. Aber auch das hatte nichts genützt. So schuf Harley Earl für 1956 eine aufregendere Karosserie für die Corvette. Mit einigen Modifikationen leistete dort der „Turbo Fire V8“ 225 bhp. Die Idee, diesen Motor auch in den anderen Chevrolets anzubieten, kam „Mister Corvette“ himself. Zora Arkus-Duntov erzielte mit einem so bestückten Vorserien-Chevy Two-Ten am 9. September 1955 einen neuen Rekord beim Pikes Peak Bergrennen. Jetzt war diese Motorisierung auch für alle Chevys zu haben, und das Ergebnis war beeindruckend! Die verhältnismäßig leichten Chevys machten auf den hunderttausendfach besuchten Stock Car Kursen plötzlich den Gegnern das Leben schwer.
Eine weitere Novität kam übrigens für 1956 mit der erstmalig auch bei Chevy erhältlichen Kaltluft aus dem Kompressor – der Klimaanlage. Nach 1.7 Mio verkaufter Chevrolets im Jahre 1955 lag die 56er Produktionszahl 1956 immer noch bei 1,57 Mio – und damit belegte man immer noch die erste Stelle der Produktionsstatistik.
1957 – spitze Flossen!
Mit Einführung der 57er Chevrolet Modelle im Spätsommer 1956 hatte sich die Marktsituation drastisch verändert. Ford und Chrysler stellten völlig neue Modelle vor, die gegenüber ihren Vorgängern ungleich moderner, flacher und langgestreckter wirkten. Im unteren Preissegment war der Kampf nun deutlich schwerer geworden. Die preiswerten Plymouth-Modelle von Chrysler gaben mit Virgil Exners „Forward Look“ mit hohen Heckflossen die Richtung an. Plymouth holte sich daher den dritten Platz der Produktionsstatistik zurück. Ford konnte am Ende des Modelljahres Chevrolet auf den 2. Platz verweisen. Chevy verkaufte „nur“ noch 1,5 Mio Personenwagen und verfehlte um runde 170.000 Stück die Spitze. Doch wir sprechen hier von unglaublichen Stückzahlen! Vergessen wir nicht, dass es seinerzeit – außer der Corvette – nur eine einzige Baureihe bei Chevrolet gab. Abzüglich der geringen Corvette-Produktion von rund 10.000 Stück in diesen drei Jahren produzierte Chevrolet circa 4.760.000 Tri-Chevys!
Diese Chevys befanden sich nun immerhin im dritten Jahr Ihrer Bauzeit. Bereits im Sommer 1955, als der Erfolg der damals neuen Modelle abzusehen war, hatten die stylistischen Arbeiten für den 57er Jahrgang begonnen. Die Vorgabe war, Chassis, Dach, Heckklappe und Türen mit denen der Vorgänger identisch zu belassen. Doch kleinere Räder sowie völlig veränderte Front- und Heckpartien ergaben für die 57er Modelle eine neue, flachere Dynamik, die bewusst den neuen Cadillacs ähneln sollte. Das Teuerste war dabei zweifellos der wuchtige Kühlergrill. In diesem befanden sich nun nicht nur das Chevy-Symbol, sondern auch zwei mächtige Hörner sowie die außenliegenden „Dagmar Bumpers“ mit Gummiauflage – ebenfalls eine Anlehnung an die großen Cadillacs. Ein großes, flaches, goldenes „V“ zusammen mit dem Chevrolet-Schriftzug zierte nun die Motorhaube. Spitze Flossen, tief angebrachte Rücklichter und die beiden „Lance-Shaped Windsplits“ auf der Haube verfehlten ihre Wirkung nicht. Man sprach im Volksmund von regelrechten Schießscharten, die nun auf den Betrachter zielten. Dafür war das stilisierte Flugzeug als Kühlerfigur auf der Haube verschwunden. Der Tankverschluss verblieb unter einer Klappe am unteren Ende der linken Flosse.
Auch im Innenraum bemerkte man grundlegende Änderungen. Ein völlig neues Armaturenbrett mit drei Rundinstrumenten und ein neues Lenkrad hoben sich deutlich vom Dash der Vorjahre ab.
Im 57er Modelljahr hielt auch ein weiterentwickelter „Turbo Fire“ mit 283ci Einzug. Chevy warb nun mit dem bekannten Slogan „1 bhp pro Cubik-Inch“ – doch das konnte Chrysler schon zwei Jahre zuvor. Außerdem ging das nur mit einem ganz speziellen Motor. Dabei handelte es sich um den teuren „Fuelie“ mit der Ram-Jet-Einspritzanlage in Verbindung mit einem manuellen 4-Gang-Schaltgetriebe – eine Option, die sehr selten bestellt wurde und als nicht komplikationsfrei galt. Der „Fuelie“ hatte in diesen Zeiten noch keine Chance.
Harte Power!
Doch der neue 283ci V8, letztlich ein aufgebohrter 265er, der mit Doppelvergaser wie zuvor 162 bhp leistete, brachte nun mit dem Vierfachvergaser 185 bhp. Das tat dem Image gut. Erstmals also konnten Chevy Fahrer ihre Begleiterinnen mit 180 km/h erschrecken – bevor sie es beim Bremsen dann selbst taten…. Eine dem stufenlosen Buick Dynaflow-Getriebe nachempfundene neue „TurboGlide“ Automatik war ebenfalls nicht unumstritten, obwohl diese Option mit einer Bergab-Bremse durchaus Qualitäten zeigte. Dennoch entschieden sich die meisten Käufer für die zweistufige „PowerGlide“, die von Anfang an im Programm war. Nach wie vor blieb der 235,5 ci „Blue Flame Six“ Basismotor, der seit 1955 zuerst 123 bhp, 1956 und 57 schließlich 140 bhp stark war.
Viele kleine Veränderungen ermöglichten eine flachere Haubenlinie und zudem effektivere Leistung. Der veränderte Rahmen mit zusätzlichen Streben, eine verbesserte „Glide Ride“ Achskonstruktion und weiter nach hinten versetzte hintere Blattfedern verbesserten das Fahrverhalten. Während die billigen One-Fifty Modelle eine optische Unterteilung aus dem Hüftknick heraus erhielten, galt die stimmgabelhafte seitliche hintere Leisten-Kombi bei Two-Ten und Bel Air als attraktives Detail. Beim Bel Air wurde dieses Feld mit der berühmten geriffelten Zierblende ausgefüllt. In gleichem Muster fand sich beim Bel Air eine Abschlussleiste am Kofferraumdeckel (die aber wahrscheinlich nur als Option erhältlich war, da viele bekannte Bel Air diese eben nicht hatten). So mancher Two-Ten sollte in der Zukunft mit diesen Blenden aufgewertet werden.
Die Modellpalette blieb gegenüber dem 56er Modelljahr unverändert. Noch immer dominierten die Sedan 4 door in den Verkäufen. Star war und blieb natürlich das Convertible, das nur in der Bel Air Reihe zu haben war und im 57er Jahrgang nochmal um 6.000 Stück zulegte.
Doch schon längst waren die Arbeiten an den Nachfolgemodellen abgeschlossen, außerdem kümmerte man sich um die Entwicklung eines kleinen Kompaktwagens. Im Herbst 1957 standen dann deutlich größere Chevrolet-Modelle bei den Händlern, die wirklich kaum noch etwas mit den Tri-Chevys zu tun hatten.
Die kompakte Größe der Chevys von 1955-57, das daraus resultierende geringe Gewicht und das heute immer noch atemberaubende Styling machte diese Autos nicht nur später auf dem Dragstrip berühmt, sondern zeigte sich auch auf dem Gebrauchtwagenmarkt. Vor allem die jungen Rock´n Roller bevorzugten die Tri-Chevys, die mit ihnen auf den Boulevards cruisten und ins Auto-Kino oder in die Drive-Ins rauschten, den Girls imponieren wollten und um denen, im Schutz von Vinyl, Lack und Chrom wenigstens mal an die Petticoats fassen zu können. Man sah Continental-Kits, Fender Skirts, lackierte Schuten mit den dazugehörigen Prismen auf den Dashes und Appletons (Suchscheinwerfer-Imitate) – die Zubehörliste von Chevrolet und auch von Fremdherstellern war ellenlang und auch nach Produktionseinstellung der Tri-Chevys noch lange verfügbar. Cragar-Felgen, Pinstriping und die unverzichtbaren Würfel am Innenspiegel waren Kinder ihrer Zeit. Bisweilen boten die serienmäßigen metallisch glänzenden Kunstleder-Kombinationen die Gemütlichkeit eines Waschbrettes, aber diese Chevys waren „in“. „Love me tender“ sang Elvis Presley, doch erst nach der Hochzeit, bitteschön.
Jahrzehnte später haben die Tri-Chevys noch immer nichts von ihrem Reiz verloren. Ob milder oder wilder Custom, beinharter Dragster oder perfekt restauriertes Original: Die Industrie bietet neben allen technischen Möglichkeiten auch nahezu alle Ersatzteile, selbst die Innenausstattungen sind heute in Originalmaterial erhältlich. Erstaunlich auch, dass einige Modelle, immerhin als Massenprodukt entstanden, in Sammlerkreisen erstaunliche Preise erzielen.
Die Tri-Chevys haben wie kein anderes Auto die amerikanischen Fifties geprägt. Sie zählen zu den wahren Klassikern der Autogeschichte. Könnten Harley Earl und seinen Mannen noch einmal einen Blick auf die Szene werfen – sie würden es nicht glauben!
Zutreffende Aussage!
Generell mit heißen Girls: 55er Bel Air Convertible von smokymountaintraders
Mit Fender Skirts und Bumber Guards aus der Option-List: Bel Air Sport Coupé 1955 (Sowas findet man bei Classic Car Seller – gute Adresse)
Traumwagen 1955: Bel Air Sport Hardtop Coupé (Werksfoto)
Meistverkauftes Bel Air Modell: 4-door Sedan 1955
Nicht nur neue Karossen für 1955, sondern auch ein komplett neues Chassis
Kontrast: Billige One-Fifty-Modelle versus teurem Bel Air. Schön: One-Fifty Utility Sedan ohne Rücksitze
Anschaulich: Blue Flame Six mit 123 bhp für das manuelle Getriebe, mit 136 bhp zusammen mit der PowerGlide Automatik
Übersicht: Two-Ten Modelle – tatsächlich stimmte auch hier die Headline: Alles neu!
55er Spitzen-Modell: Bel Air Convertible
Klassisch: 55er Bel Air Sport Coupé
Ursprünglich ein Show-Car auf Corvette Basis – der Sport-Wagon Nomad blieb drei Jahre im Programm. (www.smclassiccars.com )
Mild customized: 55er Two-Ten 2-door Sedan. Gefunden auf smclassiccars.com
Nicht umsonst sprach man vom „kleinen Cadillac“
1956: Die Tri-Chevys gehen ins zweite Jahr. Der neue Grill ist das Erkennungszeichen
Auf Power ausgerichtet: 56er Werbung. Es wird noch heißer …
Two-Ten-Modell 1956: Delray 2-door Sedan bei classiccardb.com
Ohne B-Säule und mit großer Heckscheibe: Bel Air 4-door Sport Sedan 1956 (www.smclassiccars.com )
55er Bel Air Convertible – die Dame nehmen wir gleich mit (Werksfoto)
Ganz neu für 1956: Der Tankdeckel saß unterm Rücklicht! Cadillac läßt grüßen…
Werbung war alles! Die Straßenszenen sind heute Kult!
Mit Fender Skirts: Bel Air 4-door Sedan 1956
Der große Unterschied zum Ur-Modell 1955: Der große Grill des 56er Modelljahres
Neues Dash-Design für 1956 (classiccarsmarks.com )
Mit kleiner Heckscheibe und mit B-Säule: 56er Bel Air 4-door Sedan (www.smclassiccars.com )
Auch der Nomad erhielt wie alle anderen Chevys von 1956 ein neues Gesicht
Typisch amerikanische Wagon-Hecktür: Auch beim 56er Nomad zweiteilig
Selten gesehen: 56er Beauville Wagon im Prospekt
Die Idee, den Corvette V8 in den 56er Chevy zu packen, war grandios! Mit Rekord beim Pikes Peak-Rennen!
Mochte man nicht hinter sich haben: 56er Police-Car
Man beachte: 1956 erhielt der billige One-Fifty erstmals eine Seitenzierleiste
Mit Leistung und Spaß warb man überall
Ab 1956 mischten die Chevys anständig auf den NASCAR Kursen mit!
Brandnew für 1957! Mit dem Bel Air Convertible ging´s hoch hinaus!
Die komplett neue Schnauze der 57er Modelle wirkte deutlich massiver. Beachte auch die „Schießscharten“ auf der Motorhaube. Hier der Bel Air Sedan 2-door (mit B-Säule)
Anleihen am Cadillac-Styling sind unverkennbar: 57er Chevy Bel Air Convertible
Kleinere Räder ließen die 57er Chevys noch flacher erscheinen.
1957 konnte man erstmals von echten Heckflossen sprechen…
Völlig neues Armaturenbrett für 1957
Besonders modisch: Die Vinyl-Ausstattungen im Metallic-Look
1955-57 das meist verkaufte Chevrolet-Modell: 4-door Sedan
Gleich zu sehen: Die fehlende Blende an der Two-Ten-Flanke
Zweimal Two-Ten: Delray Club Coupé mit und Sport Coupé ohne B-Säule. Kaum zu sehen: Die Leistenstummel auf den Heckflossen. Bei den Bel Air Modellen fielen die Leisten länger aus.
Heutzutage eins der beliebtesten 57er Modelle: Sport Hardtop Coupé
Der überarbeitete V8: Turbo Fire 283
Der Einspritzmotor blieb die Rarität unter den Motorisierungen. Die normale Werkstatt war seinerzeit damit eh überfordert …
Die 4-türigen Hardtop-Modelle zeigten eine Panoramaheckscheibe und wurden von Chevrolet als Sport Sedan bezeichnet.
Strahlende Gesichter! Wenn jetzt der Baseball in die Scheibe fliegt, ist damit Essig. (57er Bel Air Sport Coupe)
1957 war die Auto-Welt noch in Ordnung: „Enjoy Motoring“ (Prospekt mit allem Zubehör)
Statt Fotos fand man in jenen Jahren herrliche Malereien – optionale Bumper Goards im Zubehörkatalog.
Chevy warb mit der No. 1 der Automobilproduktion – auch in Zeitschriften
Mock-Up aus dem Jahre 1955 für das 57er Modell. (Mock-up bedeutet: Modell in Originalgröße)
Auch dieser Vorschlag stammt von 1955 und zeigt bereits die spitzen Flossen.
Tankverschluss hinter der Flosse, Lufteinlässe über den Scheinwerfern und der „Hill Retarder“ (Bergab-Bremse) bei der TurboGlide-Automatik.
„See the USA in your Chevrolet“ hieß der passende Song zu diesen gemalten Szenen!
Mit den erfolgreichen 57er Chevys auf dem Strip konnte man prima werben!
Viele Fahrer schrieben mit ihren Autos Geschichte: Hier der 57er Chevy Black Widow (Schwarze Witwe)
Stolz wie Bolle: NASCAR Driver Bob Welborn im (ungewöhnlichen) 57er Cabrio.
Buck Bakers 57er One-Fifty
Derselbe Buck in voller Action auf dem Daytona Raceway.
„Fireball“ Robert und die Konkurrenz (58er Ford und 58er Pontiac). Noch lange sorgten die Tri-Chevys bei Rennen für Unruhe, zeigten sie doch ein günstiges Leistungsgewicht.
Du brauchst nicht immer das neueste Modell zum Gewinnen! Larry Odo im 56er Chevy
Zweikampf: Lee Petty im 57er Oldsmobile gegen Bob Welborn im 57er Chevy.
Modellübersicht und technische Daten Chevrolet 1955-57
Und hier ein TV-Chevy-Werbe-Spot von 1955 und die anderen zwei Videos über die 55-57er Chevys auf “Ottos US Garage”-YouTube-Kanal: